Die Beziehungen zwischen Wien und Flandern bestehen seit einer so langen Zeit, dass sie schon in der ältesten Urkunde des Wiener Stadt- und Landesarchivs erwähnt worden sind.
Das sogenannte Flandrenserprivileg wurde bereits im Jahre 1208 von Herzog Leopold VI. ins Leben gerufen und urkundlich erwähnt.
Wie es der Titel dieser Urkunde schon andeutet, handelt es sich hierbei um ein Privileg für die Flandrenses, wie sie in der Urkunde genannt worden sind. Diese waren mit großer Wahrscheinlichkeit im heutigen Flandern ansässig, was auch ihre Bezeichnung vermuten lässt.
Im Urkundentext wird ersichtlich, dass die Flandrenses in Wien sehr willkommen waren. Sie galten seit jeher als begabte Kaufleute und Produzenten in der Wollweberei und Tuchfärberei. Durch ihr Handwerk und Gewerbe genossen die Flandrenses zu dieser Zeit einen wirtschaftlichen Entwicklungsvorsprung gegenüber Wien. Darum wird vermutet, dass Herzog Leopold VI. mit dieser Urkunde eine wirtschaftspolitische Maßnahme ergriff, um die Entwicklung in den Bereichen Handwerk und Gewerbe auch in Wien und Umgebung stärker zu beschleunigen.
Im Gegenzug bot Leopold VI. den Flandrenses vorteilhafte Rechte bei Ansiedlung in Wien: Zum einen galt für sie dasselbe Markt- und weltliche Recht, zum anderen bedeutete dies auch dieselben Freiheiten und Sonderrechte, wie sie die Wiener Bürger genossen. Darüber hinaus diente ihnen die Münzkammerei Gerichtsbarkeit - und nicht die Stadtrichter des Herzogs. Auch wurde den im Handel und Gewerbe tätigen Flandrenses eine Monopolstellung in ihrem Arbeitsbereich zugesichert. Der Urkunde zufolge konnten nur die Flandrenses selbst über fremde Tätigkeiten in ihrem Arbeitsbereich verfügen und entscheiden.
Die Urkunde des Flandrenserprivilegs ist seit dem 28. Dezember 1921 Teil des Wiener Stadt- und Landesarchivs. Als markantestes Merkmal gilt das um 90 Grad verdrehte Siegel eines Reiters, welches an einer rötlich gefärbten Band aus Seidenfasern angebracht ist.
Quelle: WStLA, Hauptarchiv-Urkunden, U3: 0b